Liechtensteiner in Sternberg

Auf das Aussehen der Sternberger Burg wirkten sich die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges schwerwiegend aus. Sie diente als Getreidespeicher und Kaserne und nach dem Ende der Militäroperationen blieb nur eine fast unbewohnbare Ruine davon. Die damaligen Besitzer des Schlosses, die Herzöge von Württemberg, hatten weder genug finanzielle Mittel noch ein Interesse an der beschädigten Burg, die zudem mehrmals abgebrannt war. Angesichts der komplizierten Finanzlage verkauften sie die Burg und die Herrschaft Sternberg [Šternberk] und Kniebitz [Pňovice] im Jahr 1695 für 504.000 fl an Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657 – 1712). Dieser kaufte zwar eine vielversprechende Herrschaft, wo Eisenminen in Betrieb waren und die Flachsverarbeitung blühte, zeigte jedoch kein großes Interesse an der Burg selbst. 1699 kaufte er nämlich die Herrschaft Schellenberg und 1712 die Grafschaft Vaduz. Dadurch konnte er endlich den Gedanken seines Großvaters Karl I. verwirklichen und die Anfänge des heutigen Fürstentums Liechtenstein schaffen.

Johann Adam Andreas war Enkel Karls I. (1569 – 1627), nach dem er den Unternehmergeist sowie auch die Begabung für die Herrschaftsverwaltung erbte. Sein Vater Karl Eusebius (1611 – 1684) vererbte ihm wiederum große Schulden. Johann ging an eine radikale Reform der Herrschaft heran, entließ ein Teil der Beamten, verschärfte die Robot und senkte die Kosten für Veranstaltung aufwändiger Parforcejagden. Die resoluten Reformen brachten bald die erwünschte Vermögensstabilisierung und Johann konnte sogar weitere Herrschaften und Güter kaufen. Trotz aller Bemühungen blieb Johann der letzte Nachkomme des sog. Karl'schen Zweiges der Liechtensteiner.

Nach seinem Tod gingen die Herrschaft und die Fürstenwürde auf Josef Wenzel (1696 – 1772) aus der Gundaker'schen Linie über, der sich als großer Krieger und Reformer der österreichischen bzw. habsburgischen Artillerie auszeichnete. In der Schlacht bei Kolin [Kolín] (1757) brachte er gemeinsam mit dem Feldmarschall Leopold Grafen von Daun eine Niederlage dem preußischen König Fridrich II. bei, und rettete dadurch das belagerte Prag. Auch Josef Wenzel starb kinderlos und den Fürstentitel erwarb sein Neffe Franz Josef (1726 – 1781).

In den folgenden Jahren verliefen in Sternberg nur notwendige Wartungsarbeiten. Der eigentliche Burgkern änderte sich allmählich in eine Ruine, nur die Renaissance-Unterburg diente als Büroräume der Herrschaftsverwaltung. 1852 besuchte die Burg der bedeutende tschechische Maler Václav Mánes, der dort einige Zeichnungen schuf und später in der Zeitschrift Květy anmerkte, dass sich dort eine Flachsverarbeitungsfabrik befand. Aus der Disposition der Unterburg ergibt sich eindeutig ihre Funktion als Stadtgefängnis und Wohnungen für Verwaltungsbedienstete. Obwohl die Burg unmittelbar den regierenden liechtensteinischen Fürsten gehörte, zeigte keiner von ihnen ein Interesse daran. Die Burg wurde zunehmend baufällig, was das romantische Gemälde von A. C. Haun aus den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts belegt. Dieser Zustand änderte sich erst in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts. Der damalige liechtensteinische Fürst Johann II. der Gute (1840 – 1929) entschloss sich für eine Generalsanierung oder eher für einen radikalen Umbau.

Johann II., der später „der Gute“ genannt wurde, ist einer der bekanntesten Angehörigen des Hauses Liechtenstein. In seiner Jugend erhielt er eine hervorragende Ausbildung, er war ein großer Philanthrop, kannte sich in Fragen des Herrschaftsbetriebes und der Herrschaftsverwaltung aus. Er förderte eine ganze Reihe von Vereinen sowie auch das öffentliche Leben. In Sternberg trug er mit beträchtlichen Summen zur Errichtung von Parks sowie auch zum Betrieb eines Armenhauses bei. Trotz aller Übersicht und Kenntnisse richtete Johann II. seine Aufmerksamkeit auf das Mittelalter, auf die Zeit der ruhmreichen Ritter und liechtensteinischen Krieger. Dieser der damaligen Zeit verpflichtete Gedanke brachte Johann II. zu Umbauten mancher Burgen und Schlösser im neugotischen Stil, der seinen Anforderungen an Repräsentation der Familiengeschichte entsprach. Im Falle der Sternberger Burg engagierte Johann II. den Architekten Karl Gandolph Kayser (1837 – 1895), der zu jener Zeit an der Renovierung der Burg Liechtenstein unweit von Wien arbeitete. Johann II. verlangte von Kayser die Wiederherstellung des altertümlichen Aussehens des Burgkomplexes. Die Burg sollte Johann anschließend als Sommerresidenz dienen, wo er seine umfangreichen Kunstsammlungen hätte versammeln können. Aus der Zeit der Renovierung (etwa 1886 – 1910) haben sich zahlreiche Pläne erhalten, die den ganzen Verlauf dokumentieren, sowie auch einige nicht umgesetzte Entwürfe. Der ursprüngliche Turm – Bergfried – sollte beispielsweise durch eine überdachte, über eine Hängegalerie aus dem sog. Aussichtszimmer zugängliche Aussichtsplattform ergänzt werden.

Im wesentlichen Teil ist die Renovierung allerdings plangemäß verlaufen. Die angespannte Bemühung um Ursprünglichkeit und Wiederherstellung des altertümlichen Gepräges der Burg führte jedoch paradoxerweise zur Vernichtung der meisten historischen Konstruktionen und Elemente. Leider führte man zudem kein Bautagebuch. Aus dem Grund wissen wir nicht, wo die Überreste der frühgotischen Steinmetzelemente aus der ursprünglichen Burgkapelle oder eine Gesamtheit mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Offensteine gefunden wurden. Von den damaligen Vorstellungen über die Renovierung einer mittelalterlichen Burg zeugen zum Beispiel der Abriss und der anschließende Wiederaufbau der oberen Hälfte des hochgotischen Erkers im Presbyterium der Kapelle oder die Verlegung des ursprünglichen Eingangs ins Burgareal aus dem 13. Jahrhundert.
Auf der anderen Seite zeigte Johann II. ein großes Interesse an der Renovierung der Burg. Bereits vor ihrem Beginn trug er in Feldsberg eine Kunstsammlung zusammen, die dann schrittweise nach Sternberg verlagert wurde. Wahrscheinlich auf diese Art und Weise kamen nach Sternberg zwei seltene Hellebarden aus der Bewaffnung der Liechtensteinischen Garde, die sich außer Sternberg sonst nur in Vaduz erhalten haben.


Das Feldsberger Schloss wurde zu einem wahren Lagerhaus, wo außer Bilder, Statuen, Ledertapeten und weiterer Gegenstände auch Kachelöfen herumlagen. Johann II. hat sich entschlossen, die ganze Burg auch für Winteraufenthalte zu adaptieren. Es hat dann lange gedauert, bis sich die Verteilung der Öfen in die jetzige Lage entwickelte. Die Änderungen in der Verteilung der Öfen können den Bauplänen entnommen werden. Man hatte vor, die Öfen so zu verteilen, dass sich ältere Stücke aus dem 16. und 17. Jahrhundert im ersten und jüngere im zweiten Stock befinden. Ein weiteres Kriterium stellte die Farbigkeit der Öfen dar. Die einzelnen Öfen sollten eine ideenreiche Mischung so bilden, dass sich in keinen zwei nebeneinander liegenden Räumen Farbe oder Stil wiederholen. Infolge dieser Entscheidung entstand in der Sternberger Burg eine einmalige Kachelofensammlung.
Zur Beheizung der Burggänge, der Kapelle und zweier großen Säle dienten dann riesige im Erdgeschoss und im Burgkeller untergebrachte Kessel. Sie arbeiteten auf dem gleichen Prinzip wie die mittelalterlichen. Über dem Feuerraum befand sich ein freier Raum, wo die Luft erwärmt wurde. Diese stieg dann durch die Rohrleitungen selbsttätig in die einzelnen Burgteile hinauf und mündete in mit Messinggittern verdeckten Öffnungen im Boden.


Im Hinblick auf sein Alter und insbesondere dann den Komfort ließ Johann II. in der ganzen Burg eine Wasserleitung verlegen, welche die Badezimmer und Toiletten mit Wasser versorgte. Die Toiletten stellte gleich wie im Fall von Feldsberg und Eisgrub Wiener Firma Gramlick her. Eine große Neuigkeit stellte der im Jahr 2016 restaurierte Aufzug dar. Ein weiterer Aufzug führte in die neue in den Jahren 2015 – 2016 restaurierte Burgküche. Alle diesen technischen Sehenswürdigkeiten können im Rahmen einer Burgführung besichtigt werden.

Nach dem Tod Johanns II. (1929) wurde sein Urneffe Johann Franz (1910 – 1975) zum Burgherrn. Sein Großvater Alfred Alois (1842 – 1907) heiratete nämlich dessen Cousine Marie Henriete (1843 – 1931), die Schwester Johanns II. des Guten.

Johann Franz reiste gern nach Afrika, woher er eine ganze Reihe von Jagdtrophäen heimbrachte. Die Vorliebe in Jagden und Reisen spiegelte sich auch in der Burgbibliothek wider, die viele illustrierte Reiseberichte enthält. Johann Franz dokumentierte seine Reisen und Besuche bei Verwandten auch fotografisch. In den Burgsammlungen befinden sich 18 Fotoalben. In die bauliche Ausgestaltung der Burg griff Johann Franz nicht bedeutend ein. Am Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zu einer Teilevakuierung des Mobiliars. Es wurden Gobelins und gepolsterte Möbel weggefahren, die im Jahr 2008 in einer Auktion gekauft und nach Sternberg zurückgebracht wurden.

Der Geschichte des Hauses Liechtenstein in Mähren ist eine einzigartige Ausstellung in den Räumlichkeiten der Sternberger Burg gewidmet.